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Passeggiare per venezia

Der Sommer ist da und mit ihm steigt weiterhin die Ungewissheit, wie es mit meinen Italien-Reisen weitergeht. Mir bricht immer mehr das Herz, weil ich fürchte, der Herbst wird ohne Bella Italia stattfinden. Darum möchte ich euch heute auf einen Spaziergang durch Venedig mitnehmen, passeggiare per venezia.

Venedig ist auch schreiberisch meine Quelle. Hier begann die Liebe zum historischen Roman und enden wird sie in venezia garantiert nicht. Übrigens kann ich an dieser Stelle endlich verkünden, dass mein neuer historischer Roman über Florenz im Herbst 2021 erscheinen wird. Cin Cin! Ich freue mich sehr. Sobald das Cover steht und noch andere wichtige Eckdaten, verrate ich das natürlich exklusiv in meinem Blog.

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Nehmt euch Zeit für die kleinen Details

Andiamo ragazzi! Abseits vom Canal Grande und den Touristenströmen gibt es genug zu entdecken, wenn ihr euch Zeit nimmt. Schaut mal hoch und bewundert die wunderschönen Giebelchen auf den Dächern der venezianischen Palazzi. Es ist traurig, dass die Luftverschmutzung dem istrischen Stein so zusetzt und so großen Schaden anrichtet. Großen Anteil daran haben leider doch die Kreuzfahrtschiffe, von deren Verboten es erschreckend still geworden ist und dennoch sind sie da. Trotz der Proteste und Klimaaktionen von No Grande Navi scheint die Frage Profit versus Gesundheit längst entschieden.

Von Fisch bis zur Pasta

Was wäre ein passeggiare per venezia ohne einen Besuch auf dem bekannten Fischmarkt? Auf dem Foto seht ihr eine Tafel, auf der schon seit vielen Jahrzehnten, ach was, Jahrhunderten die Messlatte für die Qualität der Fische, die hier verkauft werden dürfen, höher legt.

Heute kämpfen die Fischer eher ums Überleben und auch die Austernmafia draußen in den Lagunen ist ein Thema, das ich heute lieber nicht genauer hinterfrage.

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Pesce – Fisch – Qualität ist gefragt!

Und was Italien ohne Pasta? Seid ihr auch immer so fasziniert, wenn ihr diese Vielfalt an Formen und Farben für die beliebte Pasta seht und ihr wollt mehr davon? Eigentlich wollte ich ja im Juni in Kalabrien einen ganz besonderen Urlaub erleben, mit einem Kochkurs samt italienischer mamma inklusive. Alles nix geworden, leider. Aber okay, nächstes Jahr leb ich wohl aus dem Koffer.

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Buon appetito!

Geht Venedig tatsächlich bald unter?

Auf meinem passeggiare per venezia habe ich auch Entdeckungen gemacht, die weniger Freude bereiten. Abgesehen von den schiefen campanile, die überall auf den kleinen Inseln stehen und scheinbar miteinander wetteifern welcher Kirchturm schiefer ist, gewinnt neben dem campanile auf Burano wohl auch dieser Schnappschuss den ersten Preis.

Mitten in Venedig zeigt sich auf diesem Foto deutlich, wie der Boden absinkt. Schließlich ist die Serenissima auf Pfählen erbaut und diese Bauweise sorgte schon seit Anbeginn der venezianischen Republik. Das Gewicht der Palazzi, die zunehmende Versandung, das zerstörerische Salzwasser, die Kreuzfahrtschiffe, die Massen an Touristen …

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Canal Grande beinahe einsam – ein seltener Augenblick

Eigentlich war es reiner Zufall. Ich hatte wohl einen ruhigen Moment erwischt, aber allein fürs Auge des Betrachters ist das ein wunderschöner Anblick, der Lust macht, wieder nach Venedig zu reisen oder es zum ersten Mal zu sehen.

Ich war damals total geflasht, als ich vom Bahnhof rauskam und plötzlich unmittelbar vor dem breiten Strom stand: Überall Gondeln, Taxiboote, Vaporetti und Menschen. Das war 2006, ich mitten in den Recherchen für meinen ersten Roman.

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Canal Grande in einem ruhigen Moment

Für viele Besucher ist der Canal Grande eine der schönsten Sehenswürdigkeiten. Dabei hat Venedig noch viel mehr als die Rialtobrücke oder die Piazza San Marco zu bieten. Keine Angst vor Irrwegen. Entdeckt eure schönsten Ecken Venedigs, denn alle Wege führen nach … Bella Italia!

Ich hoffe, euch hat der heutige passeggiare per venezia Spaß gemacht und ihr konntet ein paar Ideen sammeln für die nächste Venedig-Reise. Buona settimana!

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!

Kalabrien

Heute lade ich euch ein, eine der südlichsten Regionen Italiens zu entdecken. Ihr wisst, ich liebe diesen Landstreifen im südlichsten Zipfel von Italien sehr. Vor allem die Landschaft hat mich in den Bann gezogen. So weit das Auge reicht Olivenhaine, Bergamotte- und Zitronenplantagen und ein träumerischer Blick auf das Meer. Herz, was begehrst du mehr?

Das Schöne an Kalabrien ist, dass man eine Region besucht und vielfach aktiv werden kann. Im Aspromonte Wandern gehen oder eine Radtour planen, an den herrlichen Stränden schwimmen gehen oder in einem der Dörfer und Städte Kalabriens mehr über die Kultur der Kalabresen erfahren.

Wer das Abenteuer sucht, bucht eine Tour rüber zu den Äolischen Inseln und bleibt auf Stromboli, der gleichnamigen Vulkaninsel. Von Tropea, einer der schönsten Städte Kalabriens, kannst du sogar mit dem Paraglider über die herrliche Landschaft schweben.

Musikbegeisterte werden von der Sentimentalität und gleichzeitig lebensbejahenden Musik des Folklorevereins mitgerissen, die in vielen Hotels während der Saison abendliche Darbietungen geben. Die Kalabresen sind definitiv kein trauriges Völkchen. Trotz der Armut und Arbeitslosigkeit, die in vielen Orten hoch ist, hat man nicht vergessen, das Leben zu feiern.

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Ein typisches Haus in Kalabrien, fern der Küsten

Kalabrien während der Fahrt genießen

Natürlich sind die Fotos, die ich während der Busfahrt aufgenommen habe, nicht die Besten, aber es hätte keine andere Möglichkeit gegeben und so klickte ich oft auf den Auslöser. Wie gesagt, ich liebe diese ellenlangen Olivenhaine und kann mich nicht dran satt sehen. Vor allem gegen Abend zu, wenn die Sonne ihren weichen Schatten über Kalabrien breitet, wird mir warm ums Herz. Ich könnt hier bleiben und arbeiten …

Tolle Vorstellung, denn in Tropea fand ich die Ruhe, neue Romanszenen zu schreiben. Vor besonders eindrucksvollen Orten gelangen mir tiefschürfende Szenen voller Leidenschaft und Romantik, sodass ich immer gern an diese Tage zurückdenke. Dank Corona hat sich mein Reiseplan gänzlich geändert, denn zum Abschluss des Romans wäre ich sehr gerne wieder vor Ort gewesen, um zu schreiben.

Abends in meiner Lieblingsbar mit Blick auf den Stromboli, tagsüber an schattigen Plätzen, um der Hitze zu entgehen und morgens auf der Terrasse eines einzigartigen B&Bs mitten im Herzen des centro storico.

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Einer dieser verträumten Nachmittage on Tour …

Eindrücke vor Ort

Man kann keinen Hehl draus machen. Kalabrien ist ein armes Land. Die Kalabresen meinen, das Geld lande im Norden und ganz unrecht scheinen sie nicht zu haben. Offenbar interessiert es niemanden in Mailand oder Rom, wie es den Menschen im Süden geht. Die Feindschaft zwischen Nord und Süd kann ich etwas nachvollziehen.

Und ja, es liegt Müll auf der Straße, aber wohl beachtlich weniger als früher. Man versucht, die Orte sauberer zu halten und kein Kalabrese verträgt Kritik an seiner Heimat. Oder Fragen über die Ndrangetha, die sollte man sich auch verkneifen, um des lieben Friedens willen.

Wer weniger über den Müll schimpft oder die verwahrlosten Häuser, erfreut sich des Anblicks von alten Gemäuern, die spannende Geschichten erzählen könnten, von romantischen Bogenbrücken, wie sie hierzulande kaum noch existieren. Also lieber Augen offen halten und sich in puncto Kritik zurücknehmen. So erfährt man die wahre Schönheit Kalabriens, die Gastfreundschaft der Menschen hier, die das Meer und die Natur lieben.

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Eine der Bogenbrücken, die mich immer wieder aufs Neue faszinieren

Kalabrien ist wirklich ein Land der Kontraste, selbst beim Wetter. Kaum schien die Sonne, brach aus dem Nichts ein Gewitter los und Minuten später bahnte sich die Sonne wieder einen Weg aus dem Wolkenbett. Das kristallklare Wasser der Strände soll keine Werbung sein, sondern ist Tatsache. Ich habe noch nirgendwo ein derart klares Wasser gesehen.

Der große Nachteil der hohen Qualität spürte ich am eigenen Leib: Den Quallen gefällt es auch sehr gut, aber lieber teile ich den Strand mit meinen neuen feuergefährlichen Tierchen als an einem trüben Abschnitt mit Algen & Co.

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April, April … das Wetter schlägt Kapriolen.

Pizzo, Scilla und Reggio Calabria

Obwohl Tropea schon ganz schön südlich liegt, geht es nun noch weiter in den italienischen Stiefel. Pizzo ist ein entzückender Ort, der vor allem wegen dem leckeren Tartufo bekannt ist. Ich verrate nur soviel: Unbedingt ausprobieren! Wie in vielen Orten Kalabriens teilt sich auch Pizzo in die Oberstadt mit idyllischen Gassen und einem wunderschönen Aussichtspunkt sowie die Unterstadt, wo der Strand liegt.

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Scilla von der Autostrada aus gesehen – erst im Ortskern enthüllt Scilla seinen Reiz

Und Scilla ist bekannt für sein altes Fischerviertel und die guten Fischgerichte. Auch Scilla ist definitiv eine Reise wert, denn hier wäre ich von Herzen gern länger geblieben. Dafür widme ich mich dieser Oase der Ruhe in meinem Kalabrien-Roman.

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Pizzo, die Heimat vom Tartufo, von oben aus

Weniger ruhig, aber interessant zu sehen, ist Reggio Calabria. Diese Stadt stelle ich euch in einem meiner nächsten Beiträge näher vor. Vor allem das Museum ist eine Sensation wegen der beiden Bronzefiguren, die das Herzstück des Museums sind. Von Reggio Calabria aus hat man Sizilien mit dem Ätna an klaren Tagen gut im Blick.

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Blick auf den Stromboli bei der Fahrt nach Reggio Calabria – links beginnt die Straße von Messina

Oliven, Bergamotten, Zitronen und …

Aufgrund des herrlichen Wetters und der vielen Sonnenstunden genießen viele Obst- und Gemüsesorten hier ein lustvolles Leben bis zur Ernte. Frisch gepflückt verströmen sie einen herrlichen Duft, der mich ins Schwärmen geraten lässt. Normalerweise mache ich um Olivenöl einen großen Bogen, aber ein hochwertiges Olivenöl auf frischem Pane … lecker.

In einem Hotel hatte ich während der Mahlzeiten ein wunderschönes Panorama auf das Meer. Da schmeckt es natürlich noch viel besser, mit einem Glas Rotwein dazu. Soll ich mehr sagen? Bella Italia perfetto. Die Olivenernte selbst ist eine sehr zeitintensive Sache. Nicht nur, dass man auf die Ernte warten muss, auch der Olivenbaum selbst braucht einige Jahre, bis er reichlich Früchte trägt.

Viele Kalabresen sind inzwischen auf maschinelle Ernte umgestiegen, aber es gibt sie noch: Die einsamen Bauern in Kalabrien, die mühsam mit der Hand ernten und dafür kaum mehr bezahlt bekommen für die mühselige Arbeit. Da kaufe ich dann lieber in einem Agriturismo-Shop dieses kostbare Öl als in einem supermercato. Es kostet außerdem nicht die Welt, aber jeder Einkauf unterstützt die Kalabresen.

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Olivenhaine, so weit das Auge reicht …

Viva Calabria!

Ich hoffe, ich hab euch ein wenig Lust gemacht, mal fern der üblichen Destinationen Italiens zu reisen. Ob mit einer Rundreise oder auf eigene Faust: Seid gewarnt, Kalabrien wird euch verzaubern, wenn ihr euch drauf einlässt. Regenschirm und eine gute Straßenkarte sind nie verkehrt, ein paar Geldscheine mehr, falls der Bankomat nicht funktioniert und gute Schuhe.

Manche Straßen sind mit Kopfsteinpflaster versehen und falls ihr nicht wie die Italienerinnen perfetto mit hohen Schuhen laufen könnt, lieber nicht probieren!

Ich bin gespannt, was ihr sagt. Vielleicht wart ihr aber schon dort? Wo gefiel es euch am besten und welche Tipps habt ihr noch für Ausflüge? Lasst uns teilhaben und genießt einen sonnigen Tag. Ich setz mich auf Balkonia inmitten von Seepferdchen und Meeresschildkröten, um Italiano zu lernen und an meinem Kalabrien-Roman weiterzuarbeiten. Buona settimana!

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!

Roberto Saviano

Normalerweise widme ich keinem meiner Autorenkollegen einen eigenen Blogbeitrag, aber Roberto Saviano ist eine Ausnahme. Nicht jedem ist sein Name geläufig. Wer sich allerdings über Themen wie Mafia oder die Camorra im engeren Sinn informiert, wird sicherlich über diesen Namen stoßen. Kürzlich habe ich eine interessante Doku über den italienischen Autor gesehen, der in Neapel geboren und aufgewachsen ist.

Was hat er getan, dass er mich beschäftigt? Er hat einige Romane geschrieben, die ich im heutigen Artikel noch vorstelle, in denen sehr konkrete Fakten über die Machenschaften der Mafia beschrieben werden. Sei es über die neapolitanische Camorra, über die Ndrangheta in Kalabrien oder die Cosa Nostra: Niemand kann diese Netzwerke negieren, auch wenn man im normalen Italienurlaub ziemlich unbehelligt sein dürfte und wohl nicht mal ahnt, dass diese Pizzeria oder das Souvenirgeschäft an der Ecke in bella roma ebenfalls Schutzgeldzahlungen – Pizzo – leistet.

Jemand, der damit aufwächst und darüber recherchiert, es nicht länger tatenlos hinnehmen möchte, der verbringt dann über Nacht plötzlich sein Leben ab sofort nur noch in Schutzhaft. Wie Roberto Saviano, der sich vor einigen Jahren erst so richtig die Feindschaft aller Paten zugezogen hatte, weil er auf einer Veranstaltung sehr direkt und offen verkündete, was er von ihnen hält bzw. dass es für alle Einwohner besser wäre, wenn sie verschwinden würden.

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Eines von vielen leerstehenden Fabriksgebäuden …

Schutzhaft – Fern von Luxusleben und Bodyguard-Romantik

In der Doku zeigt sich ein ganz anderes Bild. Das Porträt eines Mannes, der plötzlich von der Bildfläche verschwinden musste, um sein Leben zu retten. Der auf nähere persönliche Kontakte verzichten muss, um niemanden aus seiner Familie in Gefahr zu bringen. Jeder, der ihn öfter besucht an seinem aktuellen Aufenthaltsort, läuft scheinbar Gefahr, dass er bedroht wird, diesen geheimen Ort zu offenbaren.

Es sind keine Luxusvillen oder komfortable Hotels, sondern meist einfache Zimmer in unauffälligen Häusern, in denen Roberto auf einige Tage oder maximal Wochen untergebracht wird. Seine Bodyguards checken die Häuser ständig. Selbst eine geschlossene Tür bei ihrer Ankunft wird als potentielle Gefahr betrachtet. Ich habe mich rasch gefragt, wie lange hielte ich so ein Leben aus? Ständig in akuter Bedrohungslage, fern von all den Menschen, die ich liebe?

Man merkt es ihm nicht oft an, dass er Nerven zeigt und inzwischen stellt er sich selbst die Frage, ob dieser offene Aufruf wirklich vernünftig gewesen war. Hätte er es heute anders gemacht? Er meinte mal, er hätte es vielleicht nicht gemacht. Allerdings sind engagierte Journalisten wie Roberto Saviano und überzeugte Mafiajäger wie italienische Anti-Mafia-Staatsanwälte überzeugt davon, dass etwas getan werden muss, um die kriminellen Geflechte zu durchbrechen.

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Eine Außenstelle der Carabinieri – Ausbildungsstätte für zukünftige Mafiajäger

Zero.Zero.Zero

Ich kannte Savianos Namen schon vor der Sky-Serie “Zero.Zero.Zero”. Vor allem einer der Schauplätze Kalabrien brachte mich dann soweit, die als brutal und sehr realistisch dargestellte Serie anzusehen. Tatsächlich waren mir bis dahin einige Mafiamethoden schon “vertraut”, besser gesagt bekannt, aber dennoch war die Serie heftig in manchen Passagen. Mafiabosse, die in Erdhäusern wohnen, die in geheimen Schranktüren vor der Razzia fliehen …

Schlimmer war jedoch das, was nicht gezeigt wurde. Die latente Angst aller Beteiligten, denn wie ein Zahnrad beeinflusst das Schicksal eines Menschen das eines anderen. Es gab Typen, die aus diesem Gewaltverherrlichung ausbrechen wollten, aber es nicht konnten. Die Omertá, die Blutrache, wurde genauso thematisiert wie der private Hintergrund. Manchmal haben auch Drogenbosse ganz alltägliche, banale Probleme. Mitleid wäre das falsche Wort angesichts der unbeeindruckten Bereitschaft zu Mord, Erpressung, Drogenhandel und Prostitution.

Ich weiß allerdings auch, wie es im letzten Jahr um die Arbeitsmarktsituation in Kalabrien bestellt war und Corona machte es nicht besser. Viele Zeitungen brachten Artikel, wie sich die Mafia als Retter in der Not darstellt. Was sie (leider) für viele Menschen, die verzweifelt sind, auch ist, denn wenn dir niemand einen Job anbietet und du nicht weißt, wie du deine Familie ernähren sollst, dankst du dieser Hand mit den Geldscheinen. Du fragst nicht länger, woher es stammt und was du dafür tun sollst. Falsch? Sicher, aber wenn ein Mensch verzweifelt ist, scheint er dankbar …

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Überall stehen leere Hallen, vielleicht mit EU-Geldern und Förderungen finanziert …

Zero.Zero.Zero bezeichnet reines Kokain. Reines weißes Gold. Für mich war die Serie insofern beeindruckend, weil sie nicht gefakt wirkte, sondern jemand dahinter ganz genau weiß, wie die Bestechungen ablaufen und dieser normale Alltag für Menschen wie du und ich alles andere als normal wirkt. Geld regiert die Welt …

Der Clan der Kinder – La paranza dei Bambini

Dieses Buch kann ich hier jetzt nur vorstellen, da ich es nicht gelesen habe. Allerdings habe ich den Film gesehen und dachte, heavy. Der kurzweilige Film zeigt, wie Halbwüchsige aus der Not heraus von einer besseren Welt träumen. Die Hauptfigur will nicht länger, dass seine Mutter, seine Nachbarn unter den Schutzgeldzahlungen leidet. Er will wie sein Vorgänger bewundert werden, eine Art Robin Hood werden. Dafür bezahlt er einen hohen Preis. Anfangs träumen sie von Adidas und Nike, später von Kugeln und Drogen.

Wer nicht zeigt, dass er das Zeug dazu hat, jemanden zu erpressen oder gar zu töten, wird selbst zum Opfer. Die Moral der Gschicht: Leg dich nicht mit der Mafia an, denn sie gewinnt immer. Roberto Saviano hingegen hat viele Unterstützer.

Gerade die Jugendlichen sind ihm ein Anliegen, sie will er davor bewahren, bei der Mafia zu suchen, was sie nicht finden werden: Ehrlicher Respekt und eine Zukunft. Bei der Präsentation seines neuen Buches war Saviano die Anspannung deutlich anzusehen. Angst. Blicke quer über das Publikum. Es ist nicht die Frage, ob man ihn ausschalten möchte, sondern wann es soweit ist …

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Endstation Friedhof …

Reichen Bücher, um die Menschen aufzuklären? In seinem Stadtviertel sind die Meinungen geteilt. Die einen, die ihn verehren, ihm Glück wünschen, die anderen, die ihm raten, die Klappe zu halten. Er polarisiert die Menschen seiner Stadt. Er sehnt sich danach, wieder mal ein Eis zu essen auf offener Straße, bei seinem Lieblingscafé einen Espresso zu trinken oder in seine alte Wohnung zu gehen. Sein Leben zurückzugewinnen, wie es vor diesem folgenreichen Augenblick war. Eine Illusion. Das weiß jeder. Auch Roberto Saviano.

Gomorrha – Ins Reich der Gomorrha

Diesen Film oder das Buch habe ich tatsächlich noch nicht gesehen. Es gibt inzwischen auch eine Serie mit demselben Namen. Sie steht auf meiner Watchlist und ist wie jedes Buch von Roberto Saviano sehr gut recherchiert und definitiv kein fiktiver Roman.

Saviano zieht sich manchmal den Unmut seiner italienischen Landsleute zu, die Angst haben, dass ihre Stadt in ein schlechtes Licht gerückt wird. Es ist allerdings wohl eher so wie auch in Kalabrien. Hier regen sich viele auf, man setze Kalabrien mit der Ndrangheta gleich. Nicht jeder heißt sie gut, nicht jeder arbeitet für sie.

Leider ist es in der Realität so, dass beinahe 70 Prozent der Lokale dieses Pizzo bezahlen. In einer Doku hieß es mal, wer nicht bezahlt, brennt. Und dann gingen tatsächlich Wochen, Monate später gut gehende Trattorias und Pizzerien in Flammen auf. Da würde ich wohl auch lieber Schutzgeld bezahlen als das Leben meiner Angestellten, meiner Familie, meine Einkommensquelle zu verlieren.

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Und die nächste Fabrik, die unvollendet ist …

Für die Clans und deren Angehörige gibt es eine nette Kassa, in die regelmäßig eingezahlt wird. Geld, das dann den Witwen zum Lebensunterhalt gegeben wird oder für andere Menschen, deren Familienoberhaupt z.B. verhaftet worden ist. Verkehrte Welt, denn denen, die vor dem Nichts ihrer Existenz stehen, weil sie sich weigern, Schutzgeld zu bezahlen, zahlt in den meisten Fällen nicht mal die Versicherung etwas.

Erklär mir Italien!

Mit dem passenden Untertitel: wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt? Es ist allerdings sehr kurzweilig zu lesen und spielt viele Facetten durch. Beide, Roberto Saviano und Giovanni di Lorenzo, sind keine unbekannten Größen. Wer gern mehr über das Land, das er so gern besucht, erfahren möchte, ist hier bestens beraten.

Italiener können nämlich gar nicht nachvollziehen, wie wir unser klischeehaftes Bild von Bella Italia aufrechterhalten. Umso interessanter ist es, wenn man einige Brocken Italienisch gelernt hat und so die Chance hat, die Menschen näher kennen zulernen.

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Heißes Thema, aber brisanter denn je

Um die Geschichte zu verstehen, dauert es mehr als einen Blogbeitrag. Die Mafia ist ein Thema, das sich über Jahrzehnte, Jahrhunderte durch die Entstehung des Landes ihren Weg gebahnt hat. Unvollendete Autobahnen, leere Fabrikshallen stehen immensen Millionenkrediten gegenüber. Geld, das verschollen ist. Es macht vor niemandem Halt, dieses Thema, aber man sollte tatsächlich gut überlegen, mit wem man darüber ins Gespräch kommt.

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Vieles verfällt, weil Geld fehlt.

Wie immer freue ich mich über eure Kommentare. Gab es etwas, das euch mal im Italienurlaub aufgefallen ist? Gab es Situationen, in denen ihr euch nicht wohlgefühlt habt? Kauft euch eines der Bücher von Roberto Saviano oder schaut die Filme, um einen Blick hinter die Kulissen Italiens zu wagen. Ich freue mich auf eure Meinung. Buona settimana!

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!

Matera

Matera

Man muss kein James Bond Fan sein, um die Kulturstadt 2019 zu kennen. Vielfach kreisten im Internet Videos von den rasanten Dreharbeiten in der pittoresken Felsenstadt mit ihren eindrucksvollen Höhlenwohnungen, den sassi.

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Die Unterstadt von oben

Matera liegt im Süden Italiens, in der Region Basilikata. Das Jahr als Kulturstadt überschwemmte die kleine idyllische Stadt förmlich mit Besuchern, aber die Einwohner behielten ihr Herz am rechten Fleck. Die erste süditalienische Stadt, die zur Kulturhauptstadt Europas gewählt wurde. Vor allem aber kamen die Menschen, um die Sassi zu bewundern. Die eindrucksvollen Höhlenwohnungen stehen seit 1993 als UNESCO Welterbe auf der Liste.

Die Stadt liegt knapp 200 Kilometer von Neapel entfernt. Deutlich näher hatte ich es von der Hafenstadt Bari aus, aber als das prägende Stadtbild in Sichtweite kam, wuchs meine Ungeduld. So viel hatte ich von den Höhlenwohnungen gehört und gelesen. Nun wollte ich sie endlich selbst entdecken. Übrigens, der nachfolgende Roman der Autorin Francesca Barra lädt auf eine wunderschöne Reise nach Italien ein und beschreibt sehr berührend, wie man damals in den Sassi gelebt hat.

Die Sassi von Matera

Die Stadtviertel Sasso Barisano und Sasso Caveoso teilen sich den historischen Teil von Matera auf. Von oben herab zeigt sich dem Betrachter ein konfuses Bild an Dächern, Mauern, Terrassen und Vorsprüngen. Erst mit einem Rundgang merkt man überrascht, dass es sich um Höhlenwohnungen handelt. Es lohnt sich eine Tour mitzumachen, um konkrete Infos zur Geschichte der Sassi zu erfahren.

Sassi zum Besichtigen

Die Steinblumen mit ihren Öffnungen dienen nicht als Zierde für die Außenmauern, sondern waren tatsächlich als Belüftung gedacht. Sommer wie Winter waren diese steinernen Lochöffnungen neben der Eingangstür die einzigen Zugänge, um frische Luft ins Innere der Höhlen zu bekommen. Kein Wunder also, dass der Sommer mit seinen heißen Temperaturen und dem Licht bei den Bewohnern beliebt war. Den ganzen Tag stand dann die Tür offen, um die dunklen Wintermonate zu verdrängen.

Obwohl es ein einfaches Leben war, dass man sich heute kaum mehr vorstellen kann, wurden erst in den 1950er, 1960er Jahren die Behausungen quasi zwangsgeräumt. Für viele Menschen, die dort geboren waren, war die Umstellung auf elektrisches Licht und fließendes Wasser allerdings kein Luxus, sondern ein Kulturschock.

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Hier so eine Steinblume als Luftzufuhr

Museo di Matera – Geheimtipp uno

Einige der Höhlenwohnungen kann man besichtigen und wenn ihr die Möglichkeit habt, solltet ihr das unbedingt tun. Im Inneren mag es nicht so edel sein wie in einem Palazzo in Venedig, aber es ist faszinierend, wie sich auf engstem Raum Platz für Mensch und Tier, Schlafstätte und Begegnung fand. Oh ja, Mensch und Tier. Kaum vorstellbar, oder? Umso mehr ging mir dieser Besuch ans Herz.

Als ich endlich allein darin stand, versuchte ich eine kleine Zeitreise, aber es gelang mir nicht ganz. In einem Museum nicht weit entfernt ist ein in liebevoller Handarbeit gefertigtes Modell von Matera zu bewundern. Abgesehen von den Feinheiten und der Ausarbeitung jedes einzelnen Hauses verdeutlicht „Klein-Matera“, wie komplex alles gehalten ist.

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Hier das Modell

Die Wasserleitungen, das Gemeinschaftsleben, das zwangsläufige Miteinander – ein krasser Widerspruch zu heute, wo man beim ersten Eindruck sofort an Flucht denkt und sich nicht vorstellen kann, wie jemand unter solchen hygienischen Bedingungen leben konnte, oder wollte.

Heute sind viele der Höhlenwohnungen als Ferienwohnung zu mieten. Leider machte mir auch hier Corona einen Strich durch die Rechnung, denn ich hatte mich auf eine schöne Schreib- und Recherchewoche im wahren Herzen von Matera gefreut.

Film und Wein in Matera

Aufgrund der außergewöhnlichen Location ist Matera für Film und Lifestyle sehr gefragt. Bei meinem Kurzbesuch fanden gerade die Vorbereitungen eines von Red Bull gesponserten Events statt. Überall sprangen mutige Parcours-Jungs von Mauer zu Mauer. Auch die „Passion Christi“ mit Mel Gibson wurde wie der aktuelle James Bond-Blockbuster in den Gassen von Matera gedreht.

Weinliebhaber freuen sich auf eine Verkostung der regionalen Matera-Weine. Schließlich sind wir in Italien und da darf ein guter Tropfen vino natürlich nicht fehlen. Ob ihr den Matera Rosso, Matera Rosato oder den Matera Moro probiert, es dürfen nur Rebsorten aus der Basilikata zugesetzt werden.

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Weitere Sehenswürdigkeiten Materas

Es gibt einige Museen, die leider geschlossen waren oder ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr besuchen konnte. Wenn ihr länger dort seid, solltet ihr unbedingt das Museo Laboratorio della Civiltà Contadina mit Einblick ins alte Handwerk der Region besuchen oder das Museo dell ´olio di oliva, in dem ihr alles über die Verarbeitung und den Anbau der Oliven erfährt.

Besonders sehenswert sind die Felsenkirchen San Pietro Barisano und Santa Lucia alle Malve. Leider ist Matera nicht so klein wie man denkt, sodass es bei dem rauf und runter doch anstrengender wird an warmen Tagen. Ich muss gestehen, die Oberstadt habe ich etwas vernachlässigt. Wie gesagt, die Sassi trieben mich ungeduldig hinab und haben mich nicht enttäuscht.

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Apevito – die schönste Art, die Stadt zu entdecken

Mit dem knallroten Gefährt, dem Apevito, könnt ihr bequem quer durch Matera und die Sassi kurven. Der nette Guide verrät euch interessante Details und so ist es auch wesentlich einfacher, die Felsenkirchen zu besichtigen und Zeit zu sparen. Zeit, um Matera aus verschiedenen Perspektiven zu entdecken.

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So eine Tour ist absolut empfehlenswert, um Matera ohne Stress zu besichtigen.

Noch einige Impressionen …

Um euch richtig Lust auf eine Reise nach Matera zu machen, findet ihr hier noch einige Fotos. Allein das Wetter war an diesem Tag ein absoluter Traum. Matera wird von vielen Touren leider nur für wenige Stunden geplant.

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Die Karte zeigt das Gewirr an Gassen und Wegen eindrucksvoll

Es lohnt sich wirklich, ein paar Tage länger zu bleiben und ein völlig anderes Lebensgefühl kennenzulernen. Wie gefällt euch die Stadt? Die Sassi? Könntet ihr euch vorstellen, einfacher zu leben? Oder mal die Ruhe zu nutzen, aus dem Alltag raus? Ich freue mich auf eure Kommentare. Buona settimana!

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!