Venedig, oh Venedig! Mein geliebtes Venedig kommt derzeit aus den Schlagzeilen nicht mehr raus. Vor kurzem wurde bekannt, dass das verheerende Hochwasser vom letzten Winter laut der Zeitschrift Il Giornale dell’Arte wohl 360 Millionen Euro kostet. Die aufwendige Sanierung der stark angegriffenen Brücken und Pfeiler, aber auch Mauern kostet viel Geld. Wenn man bedenkt, dass Italiens Regierung durch die Notstandserklärung zwanzig Millionen Euro für die Kommune freistellte, wirkt das wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Diese 360 Millionen Euro werden allerdings nur für öffentliche Gebäude benötigt. 90.000 Anträge kommen noch von Venezianern und Unternehmen in der Lagunenstadt hinzu. Für die Bürger ist ein Anspruch in maximaler Höhe von jeweils 5.000 Euro, für Unternehmen 20.000 Euro möglich. Summa summarum also nochmals schlappe 75 Millionen Euro. Der begnadete Venedig-Besucher, der mehr als nur zum Selfie knipsen anreist, fragt sich, wohin das Geld versickert. Schließlich hört man von dem ausgesprochenen Verbot für die Kreuzfahrtschiffe inzwischen kaum noch …
Die Ratten versinken das sinkende Schiff …
Auch wenn Venedig über die explodierenden Besucherzahlen geklagt hatte in der Vergangenheit – Jetzt tritt der verblüffende Gegeneffekt ein. Die Touristen bleiben aus, in Scharen. Grund ist einerseits die Angst vor einem neuerlichen Acqua Alta dieses Ausmaßes, aber andererseits wohl auch die Erkenntnis, dass Venedig vor dem Untergang steht. Die globalen Folgen und die Angst vor dem Coronavirus kommen noch dazu. Das Besuchermanko freut diejenigen, die sich allen Unkenrufen zum Trotz dieser Tage in der Serenissima versammeln, um den berühmten Carnivale de Venezia live zu erleben und inmitten der kostümrauschenden Gäste die Stadt aus einer neuen Perspektive kennen zulernen.
Auch mein nächster Besuch wird etwas anders verlaufen. Es wurden über 80 Kirchen und Einrichtungen der Kirche beschädigt. Leider auch einer meiner Lieblingstürme auf Murano, der Glockenturm der San Donato Kirche oder einer der wunderschönen Fußböden aus Mosaik auf Torcello.

Venedig setzt auf Glas gegen Wasser – das neue M.O.S.E 2020?
Könnte man dem Schrecken des vergangenen Winters etwas Positives abgewinnen, ist das die Tatsache, dass man in Venedig nach sinnvollen Alternativen – vor allem raschen Alternativen – zur Lösung drohender Hochwasserphasen sucht. Neueste Idee ist eine Barriere aus Glas, die den Markusdom und vor allem die Basilika die San Marco mit ihrer sehenswerten Krypta vor dem Wasser schützen soll.
Drei Millionen Euro sind im Vergleich zu den explodierenden Kosten vom Hochwasserschutzprojekt M.O.S.E, das angeblich statt 2021 sogar kommenden Herbst in Betrieb gehen soll, Peanuts. Bleibt nur zu hoffen, dass das Projekt mit den 1,20 Zentimeter hohen gläsernen Barrieren tatsächlich rasch genehmigt und umgesetzt wird.
Mit Humor gegen das Acqua Alta
Die Cafébesitzer am Markusplatz versuchen es mit Humor. „A Spritz a day keeps the Acqua Alta away” ist auf einem zentral an der Scheibe ausgehängtem Schild zu lesen. Übersetzt bedeutet das wohl so wie folgt: „Ein (Aperol) Spritz am Tag hält das Hochwasser fern.“ Ob es hilft, weiß ich nicht, aber es wäre einen Versuch wert, oder? Die Italiener lieben ihren Spritz, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Dieses Phänomen lässt sich nicht nur in Venedig oder am Lido feststellen, sondern auch in Kalabriens Perle, der Küstenstadt Tropea, oder in bella roma.
Die negativen Schlagzeilen rund um das Hochwasser schürten leider auch sogenannte Fake News. Offenbar berichteten Journalisten außerhalb Europas von Dutzenden, gar Hunderten Toten, sodass auch Familien besorgt nachfragten, ob man denn mit Kindern überhaupt anreisen könne. Klar waren die Schäden an dem ohnehin fragilen Mauerwerk in der Stadt massiv, aber trotz der enormen Höhe und Beharrlichkeit des Wassers sind die Venezianer mit dieser Umweltkatastrophe bestens vertraut.

Venezia trotzt dem Hochwasser!
Viele Cafés, Restaurants, Hotels, Bars und Museen öffneten bereits nach wenigen Tagen wieder und hoffen auf regen Besuch. Die spürbare Reduzierung an Besuchern zum Höhepunkt des Faschings schürt die Sorge, ob sich die mangelnde Nachfrage länger hält. Ich persönlich glaube es nicht, denn in den wärmeren Monaten wird die Serenissima wieder gestürmt werden und dann klagt wieder jeder über die unerträglichen Massen.
Die Klagen der Venezianer sollte man nicht missverstehen. Sie lieben ihre Touristen, denn diese bringen Geld in die Stadt und freuen sich auf den Besuch. Weniger beliebt sind die Massen, die für wenige Stunden die Stadt überfluten wie das Acqua Alta, Selfies posten und sich dann wieder zurückziehen wie die Ebbe. Wer Venedig liebt, bleibt – länger, interessiert und offen für die Veränderungen der Serenissima, in der ein Umdenken erfordert ist, um dieses Juwel zu erhalten.
Wie denkt ihr darüber? Plant ihr eine Reise nach Venedig oder zählt ihr die Stadt schon ab? Ich freue mich auf eure Meinungen!

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!
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