Ein schönes Wort, aber weit entfernt von der Realität: Nachhaltige Kreuzfahrten. Kürzlich stieß ich auf eine Umfrage, die unter 500 Kreuzfahrttouristen gemacht wurde. Das Ergebnis mag bei den Reedereien für Frohlocken sorgen. Bei mir verursachen diese Zahlen nur Entsetzen. Natürlich streite ich nicht ab, dass der Boom bei Hochseereisen ungebrochen ist. Trotz der Friday for Future-Proteste und nicht von der Hand zu weisendenden Studien zum Zustand unseres Planeten: Warum nicht jedem ein Streichholz in die Hand drücken, das Ölfass unmittelbar daneben explodieren lassen?

Flüssiggas ist doch “gesund”

Aktuell verfügen nur wenige Kreuzfahrtschiffe über einen NLG-Antrieb. Dieser scheint in den wenigsten Häfen Realität zu sein. Es gibt einige Ansätze und Möglichkeiten, um Kreuzfahrtschiffe “umweltfreundlicher” zu bauen. Es fehlt jedoch seitens der Verantwortlichen am Willen, tief in die Tasche zu greifen oder man hält den Bedarf nicht für dringlich genug. Letztendlich gibt es keine umweltfreundliche Kreuzfahrt. Gegen die Vibrationen der Schiffsschrauben ist auch kein Kraut gewachsen. Was hilft es also Städten wie Venedig oder Dubrovnik, wenn die Luft weniger belastet wird, dafür aber die Stadtmauern täglich mehr bröckeln?

Aber hier mal konkrete Umfragewerte: 79 % schätzen die Vielzahl an Reisezielen, die sie binnen kürzester Zeit besuchen können. Okay. Tatsächlich hörte ich schon mehrmals, dass viele Kreuzfahrttouristen ihr nächstes Urlaubsziel via Kreuzfahrt abchecken möchten. Hand aufs Herz: Mehr als eine Stadtrundfahrt geht sich in den meistens fünf bis sieben, acht Stunden Landgang nicht aus.

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Viele Häfen sind veraltet und im Ernstfall für keines der großen Kreuzfahrtschiffe gerüstet …

Selbst, wenn man direkt im Stadtzentrum anliegt, braucht es Zeit, von Bord zu kommen. Die Abfahrtszeiten liegen erfahrungsgemäß bei einer Stunde Plus, die dann beim Besichtigen auch noch fehlt. Also mindestens eine Stunde vor dem eigentlichen Ablegemanöver muss jeder wieder an Bord sein. Daher kommt man in der Regel auf fünf bis sechs Stunden, in denen man gehetzt durch Rom düst oder in Barcelona nur einen Bruchteil erlebt, weil man sich an jedem Ort mal einleben muss. Das Lesen vom Stadtplan oder der App kostet auch noch 30 Minuten extra. An heißen Tagen geht es nicht ohne einen Stopp für eine kühle Cola oder ein Bier.

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76 % begrüßen den hohen Komfort an Bord

Welcher Komfort? Die engen Kabinen oder selten aber doch – unfreundliches Personal, das trotzdem 15 % Servicepauschale kassiert? Ist das Komfort, wenn man sich durch überfüllte Restaurants quält oder wie im Kindergarten am Sonnendeck „animiert“ wird? Vielleicht war ich stets am falschen Schiff unterwegs, der falschen Reederei? Auf der Suche nach nachhaltigen Kreuzfahrten wird man schnell fündig, welche Schattenseiten eine Hochseereise mit sich bringt.

Wie viel Platz hat man als Passagier? Die Lösung verrät Wolfgang Gregor in seinem Buch “Der Kreuzfahrtkomplex“. Darin untersucht er fachkundig den Zauber Kreuzfahrt aus allen Facetten . Nach dieser Lektüre sieht man so eine Reise auf dem Schiff mit völlig anderen Augen.

Ich rätsele auch darüber, wie 73 Prozent das Kultur- und Freizeitangebot am Schiff begrüßen. Casino, Kino, GoKart-Bahn, Vorträge? Mein Schiff war offenbar zu klein. Am 3. Tag kehrte Routine ein: Abendessen, Drink, Theater, Drink, Kabine. Ich hab sicher was falsch gemacht, gar keine Frage. Muss man auf einem schwimmenden Hotel ins Kino gehen? Wohl gemerkt, bei einer Kreuzfahrt hinterlassen wir einen 36 Mal größeren Fußabdruck als bei einer Bahnreise. Leider auch noch 3 Mal mehr als bei einer Flugreise. Theoretisch könnte man anstelle einer Kreuzfahrt neun Bahnreisen in die schönsten Städte Europas machen. Dann verbringt man definitiv mehr Zeit in Barcelona .

82 Prozent für das Gastronomieangebot

Kalte Würstchen zu jeder Uhrzeit, willkürliche Tischzuweisung, lauwarme Speisen. Das Traumschiff-Feeling hat seinen Preis. Hier mal ein kurzer Überblick über die Realität. Die scheint in den „Wir sind ja so nachhaltig-Thesen“ nicht so realistisch auf:

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Je Passagier fallen täglich bis zu 2,5 kg Speisereste an sowie 1, 8 kg Verpackung und 1 kg Glas- und Dosenmüll. Komisch. Auch wenn jede Reederei behauptet, bei ihnen würde fair entsorgt werden: Man findet im Internet genügend Videos, die es anders darstellen. Von Schwerölemissionen und dem hohen Energie- und Wasserverbrauch will ich heute gar nicht reden. Als Gast bist du hier “ausgeliefert”. Getränke gibt es nur noch in Dosen. An heißen Tagen auf See kommt da einiges zusammen. Bei den Speiseresten könnte sich der eine oder andere ertappt fühlen. Es war wirklich schlimm, was da an Essen auf die Teller gehäuft wurde. Und noch schlimmer, was wieder ungegessen retour ging in die Küche.

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Poollandschaft, Unterhaltung und Shows

Platz 2 mit 53 Prozent verzeichnet das allseits beliebte Sonnendeck inklusive Außenbereiche. Auf vielen Schiffen wird mittlerweile nach Klassen unterteilt. Wer eine teurere Kabine bucht, bekommt die Sonnenseite am Sonnendeck. 41 Prozent verteilen sich jeweils auf Unterhaltung und Show. Die Künstler sind engagiert, keine Frage. Sie trainieren stundenlang, um ihre Darbietungen dann bei möglichst ruhiger See abends präsentieren zu können. Auch hier gibt es mal weniger gute Shows und Bühnenacts.

Die ausländischen Showstars vertreiben sich dann beim nächsten Landgang ein, zwei Stunden die Beine vor dem Schiff. Reicht die Gage nicht für einen echten Landgang? Ich weiß, das klingt jetzt provozierend, aber ich hab es öfter beobachtet und denke mir dann mein Teil.

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Dieses herrliche Panorama kann man auch vom Strand aus erleben …

Die schönsten Routen für eine Kreuzfahrt

2019 fuhren die Deutschen, zumindest die befragte Zielgruppe, am liebsten im Norden von Europa zur See: 27 Prozent bevorzugten Nordeuropa, 23 Prozent West- und Mitteleuropa und nur neun Prozent die Kanaren. Am liebsten würden 2/3 eine Weltreise machen. Von Gedanken über nachhaltige Kreuzfahrten weit entfernt. Weltreise? Klasse, dann explodiert der Fußabdruck gänzlich! Traumziel ist natürlich die Karibik, Bahamas und Bermudas. Wie gut, dass auf den Malediven eine Insel extra für die Müllentsorgung zur Verfügung steht. Tatsache! Solche Bilder von vermüllten Stränden und der Müllinsel findet man in keinem Traumkatalog über die Malediven. Von Menschenhand zerstört!

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Das Fazit der Umfrage fand ich dann noch schlimmer. 99 Prozent dieser 500 Teilnehmer könnten sich vorstellen, wieder eine Kreuzfahrt zu buchen. So schön war es auf den überfüllten Sonnendecks, so stressfrei bei den Landgängen und den langen Schlangen vor dem jeweiligen Auschecken zum Bus oder einem Ausflug auf eigene Faust. So schön, dass man 500 x 36 Mal den Fußabdruck ins Meer zementieren möchte.

Nachhaltige Kreuzfahrten ade …

Denn: 81 Prozent planen bereits für 2020 eine Kreuzfahrt. Keine Frage, die Auftragsbücher der Werften sind gut gefüllt. Kommen doch in den nächsten Jahren noch 127 Neubauten bzw. Umbauten alter Schiffe. Äh, darf ich dran erinnern, dass es bei den letzten Jungfernfahrten Probleme gab, weil die Schiffe zu schnell gebaut wurden oder die Stabilisatoren nicht einsatzbereit waren? Würde man nur 100 Menschen dieser Passagen fragen, sähe die Statistik gänzlich anders aus.

Ich wünsch mir nur, dass 100 von 500 Menschen versuchen, ihre Kreuzfahrtträume nachhaltiger planen und nicht inflationär wie eine Reise an den Gardasee oder Bibione. Wer sich nur einmal Gedanken über nachhaltige Kreuzfahrten macht, hat bereits gewonnen.

Ciao Manu
Autorin und Bloggerin aus Leidenschaft, die Euch gerne auf ihren Recherche-Reisen quer durch Italien mitnimmt!